wohndesigners

Zart wie Beton

Georg Grasser und Martin Murero stellen Designgegenstände wie Tische, Vasen oder Teller aus Beton her. Ihr neuartiges Verfahren, das mit Folien statt mit Gussformen arbeitet, macht vielfältig bewegte Formen wie Falten oder Rüschen möglich und lässt auch dem Zufall einen gewissen Raum. Die so entstandenen Objekte sind Unikate.
Von Harald Sager

Tisch Hibiskus samt Vase aus der Werkstatt von Georg Grasser und Martin Murero. © Bengt Stiller

Sie haben ein neuartiges Verfahren zur Herstellung von Designobjekten – Vasen, Teller, Waschbecken, Tische oder auch Schreibtische – aus Beton entwickelt, wobei es sich da um Einzelstücke handelt, nicht um beliebig multiplizierbare Gegenstände aus gegossenen Formen. Was für ein Verfahren ist das genau?

Georg Grasser: Ich arbeite am Institut für Experimentelle Architektur an der Universität Innsbruck und interessiere mich von daher grundsätzlich für neue Herstellungsverfahren in der Architektur.
Im Jahr 2010 habe ich mit meinen Studierenden ein – zur Salzburger Rieder Group gehörendes – Betonwerk in Bayern besichtigt. Dort werden Betonplatten nach einem eigenen Verfahren namens FibreC am Fließband hergestellt, die später als Gebäudefassaden verwendet werden. Der Beton wird zwischen zwei Folien laminiert, damit er weder unten das Fließband verklebt noch oben zu rasch trocknet. Nun ist Beton, solange er noch weich ist, auch gut formbar, und so dachte ich, was hier im industriellen Maßstab betrieben wird, könnte man doch durchaus auch auf handwerklicher Ebene anwenden, nämlich zur Herstellung von Designgegenständen.

„Es gibt eine Menge Designgegenstände aus Beton. Aber sie schalungsfrei, sprich, ohne Ausgießung von Formen entstehen zu lassen – das ist neu.“

Martin Murero und ich haben uns dann zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, den Prozess gemeinsam adaptiert und eigene Betonrezepturen aus Beton, Fasern und Textil entwickelt. Vor zwei Jahren haben wir mit Hilfe einer Förderung durch das austria wirtschaftsservice begonnen, die Objekte in Martins Werkstatt in der Neustiftgasse in Wien herzustellen.

Designgegenstände aus Beton sind zwar nichts Alltägliches, aber es gab sie auch schon vorher. Was ist das Neue an Eurem Verfahren?

Georg Grasser am eigenen Schreibtisch ZZZ. Die Krümmung der Beton-Tischoberfläche wandelt sich zu einem Bord. Tischbeine wahlweise auch aus Holz. © Bengt Stiller

Martin Murero: Es gibt tatsächlich eine Menge Designgegenstände aus Beton, vom Eierbecher bis hin zum Waschbecken. Aber die Gegenstände schalungsfrei, sprich, ohne Ausgießung von Formen entstehen zu lassen, wie wir es betreiben – das ist neu. Wir tragen den Beton zwischen zwei Folien auf und formen ihn – unter Zuhilfenahme von Werkzeugen –, solange er noch weich ist.

„Der ästhetische Reiz liegt darin, die Massivität des Materials mit zarten, filigranen Formen zu kombinieren.“

Grasser: Im Unterschied zu Designgegenständen aus Beton, die auf bestehenden Gussformen basieren und daher in beliebiger Menge produziert werden können, sind die so entstandenen Objekte Einzelstücke.
Die endgültige Form des Objekts ist nie hundertprozentig voraussehbar, weil der Herstellungsprozess selbst Unwägbarkeiten in sich birgt. Unsere vielfältig geschwungene Fazzoletto-Vase zum Beispiel kommt durch den Faltenwurf der verwendeten Folien zustande. Unser Schreibtisch ZZZ wiederum hat eine Beton-Tischoberfläche mit einer Krümmung, die sich zu einer zweiten Ebene, einem Bord, wandelt.

Nusstisch mit abgesenkter Betonoberfläche von Grasser/Murero. © Bengt Stiller

Worin liegt die Schwierigkeit des Verfahrens?

Solider Untersatz – der Tisch Springbock. © Bengt Stiller

Grasser: Wir formen den Beton, wie man einen Teig knetet. Es ist entscheidend, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, solange der Beton noch weich ist. Wenn man den verpasst, ist es so, als wollte man hartes Brot kneten. Zu spät – nichts zu machen.

„Die nach unserem Verfahren entstandenen Objekte sind Einzelstücke.“

Was reizt Euch, mit dem Werkstoff Beton zu arbeiten?

Grasser: Wir wollten den Nachweis erbringen, dass es technisch machbar ist, mit Beton auch vielfältig bewegte Formen wie Falten oder Rüschen herzustellen. Das ist uns gelungen. Darüber hinaus liegt ein ästhetischer Reiz darin, die Massivität des Materials mit zarten, filigranen Formen zu kombinieren. Außerdem ist Beton von der Zusammensetzung und in der Folge von den Eigenschaften her – Farben, dick- oder dünnflüssig usw. – vielfältig variierbar. Wir belassen ihn meistens in seinem natürlichen Grau oder verwenden Schwarz. Das Schöne an dem Verfahren, das wir entwickelt haben, ist, dass wir einen industriellen Prozess wieder auf einen handwerklichen zurückgeführt haben: die umgekehrte Richtung dessen, was normalerweise geschieht.

Beton ist formbarer, als man glauben würde: die Fazzoletto-Vase. © Bengt Stiller

Ist das Material nicht zu schwer für Vasen, Teller, Schreibtische usw.?

Grasser: Nein, so ein Gegenstand ist etwas Solides, das man schätzen kann.

Wo kann man Eure Betonobjekte kaufen?

Grasser: Im Einrichtungshaus Möbelwerk im ersten Bezirk in Wien und bei uns in der Werkstatt.


Über Georg Grasser und Martin Murero – Grasser Murero
Der gebürtige Tiroler Georg Grasser ist studierter Architekt und wissenschaftlicher Mitarbeiter/Universitätsassistent am Institut für Experimentelle Architektur an der Universität Innsbruck. Weiters ist er einer der Leiter des dortigen Robotik-Labors und Lehrbeauftragter an der New Design University in St. Pölten.
Martin Murero ist aus Kärnten, hat ebenfalls Architektur studiert und ist Assistent in der Architekturklasse von Greg Lynn an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Als Spezialist für Modellbau betreibt er zudem seine eigene Werkstatt in der Neustiftgasse in Wien.
Für ihre designerischen Aktivitäten haben sich Georg Grasser und Martin Murero zur Arge Grasser Murero zusammengeschlossen.


moebelwerk.at

www.materialrevolution.at


WOHNDESIGNERS Klick-Tipps:


Folgen

Holen Sie sich jeden neuen Post in Ihren Posteingang

Zur Bestätigung der Anmeldung wird Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungs-Link zugeschickt. Mit der Anmeldung Registrieren sie sich auch auf wordpress.com. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.

Trete anderen Anhängern bei: