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VISION Orangen und neue Blüten Kunst aus der Kiste. Wie heißt es so schön: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“. In diesem Fall ist es ein Vollholzstuhl, der sich seine Bauanleitung von einer Obststeige holt. 30 wohndesigners Eigentlich haben Julia Läufer und Marcus Keichel gleich zwei Zugänge zu ihrem Stuhl „Satsuma“ gefunden: Zum einen ließ sich das Berliner Designerduo vom experimentellen Lebensstil der späten Sechziger Jahre inspirieren, eine Epoche, in der sich neben Flower Power und Emanzipation auch die Wohnkultur stark zu verändern begann. Selbstgebautes war angesagt wie zum Beispiel Möbel aus Obstkisten, die schnell auf und abgebaut waren und so gut wie nichts kosteten. Das war nicht nur ein Trend, sondern eine ganze Philosophie. Diese Ikonografie zu übernehmen und statt einem Regal einen Stuhl aus der Obstkiste abzuleiten, war der Ansporn der beiden, die sich in die Genialität dieses simplen Orangen-Transportobjekts praktisch verliebt hatten. Das andere Motiv lag im Ehrgeiz, den leichtesten und im Erst Kiste, dann Stuhl. Die einfachsten Dinge offenbaren sich oft im wenig beachteten Detail - Satsuma ist der beste Beweis dafür. © schneiderschram Material reduziertesten Vollholzstuhl zu kreieren. Was mit Satsuma, der gerade einmal dreieinhalb Kilogramm wiegt, auch tatsächlich gelang. Ihm liegt die kontruktive Intelligenz der Obstkiste zugrunde, ein raffiniertes Zusammenspiel von Kraft und Ästhetik. Weniger ist mehr. Das ambitionierte Projekt wurde mithilfe der Berliner Manufaktur schneiderschram bald zur ernstzunehmenden Realtität. Denn das Konzept dazu war schlau und griffig. Um den Materialverbrauch zu minimieren, orientierten sich die Designer an den dreieckigen Holzprofilen an den Ecken der Kisten, die getesteterweise genauso viel Gewicht tragen können wie die viereckigen, aber nur halb soviel Material brauchen. Für die Rückenlehne und den Sitz kam leichtes Flugzeugsperrholz zum Einsatz, wölbungsfreudig und äußerst komfortabel. Der Rest ist aus massivem Eschenholz. Der Prototyp, ganz in Handarbeit hergestellt, wurde schließlich als Installationsmittelpunkt in einer Berliner Galerie entdeckt und kurz darauf zur Umsetzung engagiert. Aus Spaß wurde Ernst. Zur endgültigen Serienproduktion musste noch ein Stück Weg zurückgelegt werden. Bauteilgeometrien und Verbindungen, die den statischen Anforderungen genügen und die für die Herstellung auf CNC-gesteuerten Maschinen optimiert sind, galt es noch ausfindig zu machen. Und dann konnte es endlich losgehen: Alle Bauteile werden computergesteuert gefertigt und nachbearbeitet. Das Verleimen der Teile erfolgt in speziell entwickelten Holzvorrichtungen.


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