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WOHNDESIGNERS 1_2013

PORTRAIT Giò Ponti ganz privat. Der Architektur- und Designdoyen liebte und lebte seinen Beruf - und mit ihm seine Familie. © Giò Ponti Archives Projekt „Passion“. Giò Ponti ist nicht nur ein Name. Es ist eine Lebensphilosophie. Der kreative Tausendsassa fand nicht nur seinen Beruf, sondern seine Berufung in der Welt der Gestaltung. Es gibt viele gute Gründe, warum sich ein renommiertes Unternehmen wie Molteni & C. dazu entscheidet, Möbel, die sechzig Jahre und älter sind, wieder neu aufzulegen. Es handelt sich nämlich um ganz besondere Stücke, in denen jeweils das wahre Herzblut ihres genialen Autors steckt. Mit Leib und Seele Manche bezeichnen ihn als „Vater der italienischen Design-Renaissance“: Der gebürtige Mailänder Giovanni Ponti, Jahrgang 1891, wurde in eine facetten-reiche Zeit hineingeboren. Rundherum wurden neue Bewegungen in Gang gesetzt und neue Interessensgemeinschaften gegründet - vom Fin de Siècle bis zur Wiener Werkstätte. So wurde ihm die Kreativität - wenn nicht sogar in die Wiege gelegt - sukzessive „eingeflößt“. 1921 absolvierte er das Studium der Architektur am Mailänder Politecnico, wo er später auch als Professor engagiert wurde, und er heiratete seine große Liebe Giulia Vimercati, mit der er vier Kinder bekam. 1926 eröffnete er alsgleich ein eigenes Studio, 1928 gründete er die Zeitschrift „Domus“ und 1941 das Magazin „Stile“. Der 360°-Designer Giò Ponti verstand es, Dinge perfekt miteinander zu verbinden und Synergi-en zu nutzen. So brachte er beispielsweise seine Arbeit mit nach Hause - im wahrsten Sinne des Wortes - denn er lebte gerne mit seinen selbst entwor-fenen Möbelstücken. Davon zeugen die vielen Fotografien seiner eigenen Häuser in Mailand in der der Via Randaccio, in der Via Brin und in der Via Dezza, die sein privates Leben im Umgang mit dem Thema Design von einer ganz persönlichen Seite zeigen. Aber auch in seinen Projekten spie-gelt sich die große Leidenschaft für Design wider. So war sein erstes großes Projekt die Gestaltung der Büroräume des Palazzo Montecatini, für die er nicht nur einen Stuhl, der der neu aufgelegten Kollektion angehört, sondern auch Schreibtische entwarf. Dabei ließ er immer wieder den passionierten Konstrukteur durchblitzen. Für den superleichten Stuhles 699 „la superleg-gera“ benutzte er denselben statischen Ansatz wie für das Pirelli-Gebäude, das er Ende der Fünziger Jahre gemeinsam mit Pier Luigi Nervi errichtete. Seine persönliche Art zu wohnen spielte stets eine wichtige Schlüsselrolle, denn er unterschied grundsätzlich nicht, ob es sich nun um ein Büro oder eine Privatresidenz handelte, für die er entwarf. Ihm ging es in erster Linie darum, Orte zum Wohnen und zum Leben zu schaffen, Orte, an denen man sich wohlfühlt - für das Glück der Kinder, für den Komfort der Angestellten und für die Produktivität der Arbeit. Sinnlich, avantgardistisch, zeitlos Egal, was Ponti gemacht hat: Er hat den Dingen, Gebäuden, Umgebungen das unverwechselbare italienische Lebensgefühl eingehaucht. Bei ihm gingen die namhaftesten Architekten, Künstler und Designer ein und aus, die alle schon fast zur Familie gehörten, so dass auch schon Pontis Kinder die Grundbegriffe der Gestaltungswelt sehr früh miterlernten. Giò Pontis Möbel versprühen eine gewisse Aura, die sich schwer in Worte fassen lässt, jedoch ein Begriff fasst es am besten zusammen: Leidenschaft - Freude an der Krea-tivität, Freude an der Entwicklung und vor allem Freude am Leben selbst. Die Kollektion Vor diesem spannenden Hintergrund entschloss sich Molteni & C., einige Stücke von jenen, die nur für private Wohnbereiche oder in kleinen Serien hergestellt wurden, zu reeditieren, allen voran den gleichnamigen Stuhl für den ersten Palazzo Montecatini aus dem Jahr 1935 sowie Möbel entworfen Mitte der Fünfziger Jahre, die Giò Pontis eigenes Privatleben in seiner Mai-länder Wohnung in Via Dezza begleiteten. Nach eingehenden Recherchen und in enger Zusammenarbeit mit Pontis Erben wurde die Kollektion unter der künstlerischen Leitung von Studio Cerri & Associati realisiert. Seit letz-tem Jahr befindet sie sich im Rahmen der Ausstellung „Vivere alla Ponti. Le case abitate da Giò Ponti“ auf Weltreise. Jüngste Station, auf Einladung von Prodomo und des Italienischen Kulturinstituts, war Wien. Salvatore Licitra, einer der acht Enkelkinder Giò Pontis und Hüter des Archivs, bringt es auf den Punkt: „Wir haben als Italiener und Mailänder die Pflicht, das Erbe von Ponti und ein bisher wenig erforschtes Archiv bekannt zu machen. Es gibt viele vergessene Arbeiten und Produkte, die es neu aufzulegen gilt, und die uns die Möglichkeit geben, den Menschen zu verstehen, sein Werk und ei-nen für die italienische Architektur und das Design einschlägigen Moment.“ www.molteni.it | www.prodomowien.at | www.giopontiarchives.org Giò Ponti (1891-1979) war Architekt, Designer, Künstler und Journalist. Zu seinen großen beruflichen Highlights gehören unter anderem der Pirelli Tower, Mailands zweites und berühmtestes Hochhaus, und Italiens erstes Designhotel „Parco dei Principi“ in Sorrent. Als Designer entwarf er für Venini, Artemide, Fontana Arte, Richard Ginori und Cassina, die schließlich „la superleggera“ produzierte. WOHNDESIGNERS I 01 Die Neuen. Molteni & C. reeditiert Giò Pontis Glanz-stücke: Die Kommode (1952-1955), den Stuhl Montecatini (1935), den runden Abstelltisch (1954/55), den Teppich (1954) und das Bücherregal (1956/57). © Molteni & C. W Zuhause bei Giò


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