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WOHNDESIGNERS 1_2013

Technisch orientiert. Carlotta de Bevilacqua (hier vor der Leuchte Copernico) konzentriert sich auf das Wesentliche, lässt die Emotion aber nicht zu kurz kommen. © Elliott Erwitt Für die Kollektion IN-EI von Issey Miyake (l.) war sie sofort Feuer und Flamme. © Artemide Mehr Licht Die Lichtmanagerin. Architektin und Lichtdesignerin Carlotta de Bevilacqua geht es weniger um bloßes Design als darum, das Licht im Raum optimal zur Geltung zu bringen. Und das in möglichst energieeffizienter Weise. Ein Interview von Harald Sager. WD: Design, das schön anzusehen ist, sich gut anfühlt und ansprechende Hüllen für Gebrauchsgegenstände schafft, ohne deren Funktion allzu sehr zu beeinträchtigen – das sind so die gängigen Rollenbilder, die man mit Design verbindet. Wie sehen Sie das? CDB: Ganz anders. Ich will die Leute mit meinen Entwürfen dazu bringen, verantwortungsbewusster zu handeln. Ich versuche, Dinge zu designen, die das Licht auf intelligente Weise „managen“, sprich, unter weniger Material-einsatz und mit geringerem Verbrauch. Design ist kein Selbstzweck, und gutes Design muss heute auch nachhaltig sein! WD: Nun ist „nachhaltig“ mittlerweile ein inflationsbedrohtes Wort, das immer auch gern verwendet wird, um Konsumenten in gutem Gewissen zu wiegen ... CDB: Bei mir nicht. Ich handle auch danach, beispielsweise durch den ver-stärkten Einsatz des Leuchtkörpers LED, dem meiner Überzeugung nach die Zukunft gehört. Die LED verbraucht einen Bruchteil der Energie einer her-kömmlichen Lichtquelle und ist um ein Vielfaches langlebiger. Eine Glühbir-ne hält 1.000 Stunden, ein Halogen-Spot 3.000 Stunden. Mit einem LED-Spot komme ich 80.000 Stunden aus. WD: Hat die LED auch vom Design-Aspekt her Vorzüge? CDB: Die Leuchtdiode selbst ist ganz klein, so dass ich große Freiheiten beim Entwerfen der Leuchte habe. Ich kann mich ganz darauf konzentrieren, wie ich das Licht im Raum zur Geltung bringen möchte. Das Licht nämlich ist mein primäres Anliegen, nicht die Leuchte oder Lampe – die sind nur Mittel zum Zweck. Für mich als Architektin ist auch Licht nichts anderes als ein weiteres „Baumaterial“. Ich versuche den Raum in Funktion der gewünsch-ten Lichtverhältnisse zu gestalten. WD: Wie würden Sie Ihr persönliches Designverständnis schlagwortartig zusammenfassen? CDB: In ein paar Worten: Ökologisch nachhaltig, designerisch vielseitig und von der Technik her tüftlerisch. In meinen Entwürfen finden Sie keine überflüssigen Formen. Ich bin sehr technisch orientiert und gehe von der gewünschten Funktion aus. Die Emotion kommt ganz zum Schluss, aber sie kommt, wohlgemerkt, nicht zu kurz! WD: Welche Ihrer eigenen Entwürfe würden Sie in diesem Sinne beispiel-haft nennen? CDB: Die Pendelleuchte Copernico etwa. Sie besteht aus mehreren nur fünf Millimeter dicken Ellipsen, die ihrerseits mit zahlreichen LEDs bestückt sind. Das aus rezyklierbarem Material bestehende Stück wird flach angelie-fert und benötigt daher wenig Platz und Verpackungsmaterial. Im ausgefah-renen Zustand erinnert Copernico ans Planetensystem des Namensgebers, ihre Gestalt lässt sich aber von Hand ganz einfach und in vielfältiger Weise variieren. So schafft sich jeder nach Belieben sein eigenes Lichtdesign. Die größte technische Herausforderung bestand darin, die einzelnen Ellipsen mechanisch und elektrisch miteinander zu verbinden. WD: Inwieweit waren Sie in Issey Miyakes aktuelle Leuchten-Kollektion IN-EI für Artemide involviert? CDB: Als Predigerin der Nachhaltigkeit war ich dafür natürlich sofort Feuer und Flamme und als Vorstandsmitglied von Artemide auch aktiv an der Durchsetzung des Projekts beteiligt. WD: Worum genau handelt es sich bei IN-EI? CDB: Issey Miyakes Designstudio hatte ein auf dreidimensionaler Geomet-rie basierendes Programm entwickelt, mit dessen Hilfe Kleidung aus einem Stück sowohl flach gefaltet werden als auch, selbst stehend, dreidimensionale Formen annehmen kann – ganz nach Art der japanischen Papierfalttech-nik Origami. Die größte Innovation aber bestand darin, nicht mit Stoff zu arbeiten, sondern mit einer Faser, die aus dem Recycling von PET-Flaschen gewonnen wird. Mein Mann (Artemide-Gründer Ernesto Gismondi, Anm.) hatte die Idee, das Konzept auf die Welt der Leuchten zu übertragen. Daraus entstand IN-EI, eine Serie von Leuchten, die in diesem Frühjahr als das große Innovationsprojekt von Artemide vorgestellt worden ist. www.artemide.com In den 80ern war sie Mitglied der Impuls gebenden Gruppe Memphis, WOHNDESIGNERS I 01 heute unterrichtet sie Lichtdesign an der Mailänder Architektur-Fakultät und tritt für energieeffiziente, nachhaltige Produkte ein: Carlotta de Bevilacqua ist Vorstandsmitglied bei Artemide und leitet ihr eigenes Designstudio sowie Danese Milano. L INTERVIEW


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