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Jenseits von Jugendstil

Österreichisches Möbeldesign früherer Zeit – da denkt man vor allem an Jugendstil und Wiener Werkstätte. Das kann doch nicht alles sein, dachten sich Dagmar Moser, Philipp-Markus Pernhaupt und Christof Stein und eröffneten 1991 ihr Geschäft Lichterloh in der Wiener Gumpendorfer Straße, das den Schwerpunkt auf Möbel der zwanziger bis siebziger Jahre legt. Ein Gespräch mit Dagmar Moser.
Von Harald Sager

Philipp-Markus Pernhaupt, Dagmar Moser und Christof Stein sind Lichterloh. © Lichterloh

Wie habt Ihr drei Euch kennen gelernt und wie kamt Ihr auf die Idee, ein Geschäft für Designmöbel ab den zwanziger Jahren aufzusperren?

Philipp-Markus und ich kannten einander vom Kolleg für Möbel und Innenausbau in Mödling, Philipp-Markus und Christof lernten sich beim Zivildienst kennen. Wir waren Anfang zwanzig und hatten alle drei mit Möbeln zu tun: Philipp-Markus arbeitete für einen auf Jugendstil spezialisierten Händler und lernte dort politieren, Christof betrieb mit einem anderen Partner ein Geschäft für Design des 20. Jahrhunderts, und ich restaurierte und lernte von Philipp-Markus, wie man politiert. Irgendwann begannen wir, auf Flohmärkten Möbel zu kaufen und zu restaurieren. Um 1990 war Jugendstil bei den Kunden ganz groß en vogue, und die Händler hatten sich den Markt aufgeteilt. Wenn wir reüssieren wollten, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen, und so legten wir den Fokus eben grob auf den Zeitraum zwanziger bis siebziger Jahre. Die von uns restaurierten Möbel konnten wir nicht gut einfach so in der Werkstatt verkaufen, und so eröffneten wir 1991 unser eigenes Geschäft: Lichterloh.

Wenn wir reüssieren wollten, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen als den Handel mit Jugendstilobjekten.“

Gab es ein Verständnis für die Zeit nach dem Jugendstil?

Johannes Spalts „Constanze“ lässt grüßen. © Lichterloh

Damals war, wie gesagt, noch der große Jugendstil-Hype angesagt. Der hat aber in der Zwischenzeit interessanterweise stark nachgelassen, heute sind nur noch Spitzenobjekte aus jener Zeit gefragt, mittlere Qualität erzielt keine guten Preise mehr. Wir waren mit unserem Schwerpunkt, nämlich Möbel der zwanziger bis siebziger Jahre aus Österreich, anfangs wenig im Lichtkegel der Aufmerksamkeit. Aber das hat sich mit der Zeit dann doch gewandelt – wobei uns der Trend zu Retro aus den fünfziger Jahren sehr zugutekam und -kommt.

Der Trend zu Möbeln aus den fünfziger Jahren kommt uns sehr zugute.“

Wie kamt und kommt Ihr zu den Möbeln?

Wir suchten auf Flohmärkten und führten Wohnungsauflösungen durch, und da wir auch selbst restaurierten, entwickelten wir mit der Zeit einen Blick dafür, was gut ist und was nicht. Bald wurde uns Österreich als Fundort zu klein, und wir machten uns auch im Ausland auf die Suche, vor allem in Frankreich und Großbritannien. In Deutschland weniger, denn die dortige starke Verwendung von Stahlrohr kommt bei uns in Österreich nicht so gut an. Hier hat schon immer eine gewisse ausgepolsterte Gemütlichkeit vorgeherrscht, ich nehme an, das hat sich vom Biedermeier her so tradiert.

Bei uns in Österreich hat schon immer eine gewisse ausgepolsterte Gemütlichkeit vorgeherrscht, auch bei den Möbeln der fünfziger Jahre.“

Wer sind Eure Kunden?

Es gibt natürlich Sammler, vor allem aber sind es Menschen, die sich zwar zeitgenössisch einrichten, zusätzlich aber da und dort einen ganz individuellen Retro-Akzent setzen wollen, beispielsweise mit einem Stück aus den fünfziger Jahren. Anders als im Altwarenhandel gibt es bei unseren Möbeln ja nicht die Assoziation „alt und verstaubt“.

Der großzügige Schauraum macht Lust, sich die Objekte genauer anzusehen. © Lichterloh

Ich nehme an, Ihr habt mit Lichterloh Bewusstseinsbildung betrieben, indem Ihr Euren Fokus auf österreichische Möbel des 20. Jahrhunderts gelegt habt. Gibt es Designer, die vergessen waren, die Ihr wiederentdeckt habt?

Mit Sicherheit. Namen wie Josef Frank, Roland Rainer, Carl Auböck oder Erich Boltenstern kannte man natürlich. Aber so manch einen anderen, etwa Oskar Riedel, Walter Emil Gindele, Fritz Reichl, Carl Appel oder Fritz Vogell haben wir aus der Vergessenheit zurückgeholt.

 

Unsere Kunden sind vor allem Menschen, die sich zwar zeitgenössisch einrichten, zusätzlich aber da und dort einen ganz individuellen Retro-Akzent setzen wollen.“

Der Handel mit Möbeln aus dem genannten Zeitraum ist aber nicht Eure einzige Aktivität …

Nein, Philipp-Markus hat jetzt eine eigene Linie mit Kästen, Kommoden, Regalen, Anrichten, Liegen usw. herausgebracht, die von der Formensprache her an die fünfziger Jahre angelehnt sind – ohne diese zu plagiieren –, aber eben neu sind. Es sind modulartig aufgebaute Möbelstücke, sprich, der Kunde kann selbst entscheiden, mit wie vielen Fächern, Regalteilen usw. er seines haben will. Die Planung erfolgt online, die Fertigung dann bei uns in der Werkstatt. Und wir legen Wert darauf, dass das Möbel aus Voll- bzw. Sperrholz, nicht jedoch aus Spanplatten sind.

Stärker wohnen mit Lichterloh. © Lichterloh

Zusätzlich vertreiben wir originalgetreue Reeditionen von Objekten des Fünfziger-Jahre-Lampendesigners Serge Mouille (die von dessen Witwe Gin produziert werden) und des berühmten Stadthallensessels von Roland Rainer. Sowie die Kollektion „Normalzeit“ von Fredi Brodmann, das ist vor allem eine Armbanduhr, die von der Anmutung her der berühmten, auf öffentlichen Plätzen stehenden Schauer-Würfeluhr nachempfunden ist. Übrigens haben wir auch eine originale Schauer-Uhr bei uns im Geschäft.
Weiters betreiben wir das Geschäft Ramsch & Rosen in der Neubaugasse. Dort landen all die Nippes, Krimskrams und Kuriositäten aus Verlassenschaften, die ins Lichterloh-Geschäft nicht hineinpassen, aber trotzdem kaufwürdig sind. Und schließlich sind wir auch in der Glasfabrik, einer Händlergemeinschaft im 16. Bezirk, mit vertreten.

www.lichterloh.com

 

 


Zu Lichterloh
Dagmar Moser, Philipp-Markus Pernhaupt und Christof Stein eröffneten ihr Geschäft Lichterloh auf der Gumpendorfer Straße in Wien im Jahr 1991 und legten den Schwerpunkt auf vornehmlich österreichische, später überhaupt europäische Designmöbel der zwanziger bis siebziger Jahre. Die Schauräume umfassen 400 m² Schauräume, Dependancen sind das winzige Geschäft Ramsch & Rosen und die Glasfabrik, wo Lichterloh Teil einer Händlergemeinschaft ist. Lichterloh produziert auch eine eigene Linie, die vage in der Formensprache der fünfziger Jahre gehalten ist, und vertreibt originalgetreue Möbel-Reeditionen von Serge Mouille und Roland Rainer. Lichterloh ist zudem Mitglied von Wien Products.


 

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