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Die Qualität steckt im Detail

Wenn der deutsche Designer Thorsten Rosenstengel Küchen entwirft, hat er dabei nicht nur das große Ganze, sondern immer auch Nebenschauplätze wie Nischensysteme, Beschläge oder Besteckeinsätze im Blick. Denn die Qualität eines Möbelstücks, ist er überzeugt, steckt auch in dessen Details. Jüngstes Anschauungsbeispiel ist die Küche FreeSTYLE, die Rosenstengel gemeinsam mit Kristina Meyer für den deutschen Hersteller Ballerina entworfen hat.
Von Harald Sager

 

wohndesigners: Sie haben soeben gemeinsam mit Kristina Meyer, mit der Sie das Designstudio byform betreiben, die Küche FreeSTYLE für Ballerina entworfen, die Anfang kommenden Jahres auf den Markt kommt. Wie würden Sie FreeSTYLE beschreiben, worin sticht sie hervor?

Der Möbel-, Produkt- und Küchendesigner Thorsten Rosenstengel. © byform

Das Besondere an der Linie FreeSTYLE liegt in ihrer Filigranität. Uns war wichtig, die Schränke vom Boden zu „befreien“, sie mit Hilfe von sehr dünnen Fußgestellen gleichsam zum Schweben zu bringen. Um den Effekt noch zu verstärken, haben wir die vordere Traverse zudem so weit nach hinten platziert wie nur möglich. Dabei sind wir an die Grenzen gegangen und haben das auch statisch und von den Dimensionen her ausgelotet und an Prototypen getestet. Wir wollten eine Linie schaffen, die so zierlich und elegant wie möglich und so solide wie nötig ist. Wenn zwei, drei Schränke nebeneinander stehen, wird der Eindruck ohnehin solider.
Viele Hersteller sind oft im Grundsatz grundsätzlich konservativ, aber andererseits haben wir, zum Beispiel bei Rolf Benz oder Ligne Roset, immer wieder beobachtet, dass bestimmte Polstermöbel auf überaus dünnen Beinen stehen. Letztlich haben wir uns bei FreeSTYLE von Wohnmöbeln inspirieren lassen.

 

Woher der Name FreeSTYLE?
Kristina Meyer und ich legen immer einen Arbeitstitel fest, wenn wir an einem bestimmten Projekt arbeiten, und den schlagen wir dann unseren Auftraggebern in der Regel auch vor. In dem Fall aber kam der Name von Ballerina, und er macht Sinn. Denn es geht, wie gesagt, darum, den Schrank vom Boden zu lösen, ihm eine gewisse Luftigkeit zu verleihen. Obendrein ist der Schrank auch von der Wand „befreit“, dem Nutzer bleibt es überlassen, ihn hinzustellen, wo immer er will.

 

„Bei FreeSTYLE war uns wichtig, die Schränke vom Boden zu ,befreien‘, sie mit Hilfe von sehr dünnen Fußgestellen gleichsam zum Schweben zu bringen.“

 

In der Beschreibung von FreeSTYLE ist von deren „modularer Bauweise“ die Rede. Gilt das nicht für alle Küchen?

Die freistehenden Module von FreeSTYLE laden zu einer flexiblen Küchengestaltung ein. © Ballerina

Das stimmt schon, aber viele Küchen sind sehr „monolithisch“, da wirkt nichts frei und beweglich. Wir wollten damit hervorheben, dass es auch jenseits der klassischen Lösungen – der l-förmigen, der Wandzeile und der Kücheninsel – noch Möglichkeiten gibt, Küchen in beweglicher und flexibler Weise zu gestalten – die freistehenden Schränke von FreeSTYLE laden dazu ein. Um das Thema Freiraum auch optisch weiterzuspinnen, wurde zudem in der Planung eine Schubladenreling aus Glas eingesetzt.
Wir haben uns bei FreeSTYLE von der Anordnung von Schränken, Vitrinen usw., wie sie im Wohnraum verteilt sind, anregen lassen. Wir sehen einen Trend darin, dass sich Möbel zunehmend nicht mehr klar einem bestimmten Wohnbereich zuordnen lassen. Das liegt daran, dass deren Grenzen tendenziell verschwimmen: Wohn- und Küchenbereich gehen ineinander über, ebenso das Bade- und das Schlafzimmer. Daher muss ein Wohn- Bad- oder Küchenmöbel heute mehr „können“ als früher, als es nur eine Funktion hatte. Geräte, die eindeutig darauf verweisen, dass man sich in der Küche befindet, können verborgen werden. Diesem Konzept entsprechend ist ein Schrank mit einer eigenen Kaffeestation eingeplant, der nach Benützen der Kaffeemaschine wieder geschlossen wird.

 

Gibt es FreeSTYLE mit verschiedenen Oberflächen?
Selbstverständlich. Das Modell auf den Abbildungen ist eine besonders schön geprägte Sherwood-Eiche, die man auch in Schwarz, Weiß und anderen Farben haben kann.

 

Sie arbeiten in puncto Küchen für verschiedene Kunden, neben Ballerina auch für Pronorm, Sacon, Bax, KH Küchen usw. Entwerfen Sie für jeden Ihrer Kunden einen anderen Typ von Küche?

FreeSTYLE in Sherwood Eiche – auch erhältlich in Schwarz, Weiß oder ausgewählten Farben. © Ballerina

Rein technisch gibt es keine Unterschiede, aber wichtig ist natürlich das Briefing. Wir entwickeln das Projekt, indem wir vom Raum und von der Zielgruppe ausgehen. Unsere Auftraggeber decken unterschiedliche Segmente ab, und wir arbeiten keinesfalls an ihnen vorbei.
Ballerina Küchen zum Beispiel ist ein sehr innovatives Unternehmen, aber man verliert dort nie den Blick auf den „normalen“ Kunden. Auch wenn hochwertige Teile, so etwa Beschläge, verwendet werden – orientiert man sich preislich am mittleren Segment. Bei Pronorm hingegen, um ein anderes Beispiel zu nennen, kann man auch mal eine reine Designerküche entwerfen, bei der die Kosten nicht oberste Priorität haben.

 

Was ist Ihre grundsätzliche Herangehensweise an Küchendesign?
Aus unserer Sicht sollte eine Küche nicht nur ihren eigenen Stil haben, sondern dadurch bis zu einem bestimmten Grad auch die Persönlichkeit ihres Nutzers zu erkennen geben. Daher ist es uns wichtig, Küchen für bestimmte Zielgruppen zu entwerfen. Der Nutzer soll sich in seiner Küche wiedererkennen – und umgekehrt. Die kühlen minimalistischen Küchen, die keine Rückschlüsse auf ihre Besitzer zulassen, stehen bei uns derzeit nicht im Vordergrund.

 

„Aus unserer Sicht sollte eine Küche nicht nur ihren eigenen Stil haben, sondern dadurch bis zu einem bestimmten Grad auch die Persönlichkeit ihres Nutzers zu erkennen geben.“

 

Sie führen Ihr Designstudio byform gemeinsam mit Kristina Meyer?

Kristina Meyer und Thorsten Rosenstengel sind byform. © byform

Ja, wir haben beide Industriedesign in Kassel studiert und einander dort kennengelernt. Wir haben byform im Jahr 2003 gemeinsam gegründet. Ich habe damals noch bei Alno Küchen gearbeitet, mich dann aber im Jahr 2007 ganz byform angeschlossen und zusätzlich zu Kristinas Büro in Köln ein zweites in Bielefeld eröffnet, wo ich herkomme. Mit diesen beiden Büros sind wir insofern gut platziert, als Köln der Messestandort Nr. 1 ist, während Bielefeld im Herzland der deutschen Möbel- und Küchenindustrie liegt.

 

Ist Küchendesign die Hauptaktivität von byform? Wie viele Küchen haben Sie denn bereits entworfen?
Küchen und Komponenten, die in Küchenschränke eingebaut werden, sind sicherlich unsere Kernaktivität. Da machen wir von der letzten Schraube bis zur großen Loftküche alles. Darüber hinaus sind wir auch im Messe- und Ausstellungsdesign aktiv, auch wieder vor allem bei Küchen. Der Schwerpunkt hat sich aus unserem Standort Bielefeld, im Zentrum der deutschen Küchenproduktion, so ergeben.
Wie viele Küchen wir bereits geplant haben? Da könnte ich Ihnen gar keine Zahl nennen – viele! Mit Ballerina Küchen beispielsweise arbeiten wir jetzt schon seit acht Jahren zusammen.
Grundsätzlich wollen wir aber nicht auf den Küchenbereich reduziert, sondern als flexibles, vielseitig versiertes Designstudio wahrgenommen werden. Wir entwerfen schließlich auch die verschiedensten Möbelsysteme, von Regalen und Regalboxen bis zu Tischen, ja sogar Elektromotoren (für den Hersteller Hanning).

 

„Wer einen guten Griff machen kann, kann auch ein gutes Möbelstück machen!“

 

Wenn man sich das Portfolio von byform ansieht, fällt auf, dass so manches davon abseits der großen Designthemen liegt, etwa Nischensysteme, Besteckeinsätze , Beschläge, Griffe und Zubehör.
Vieles davon leitet sich von der Küche ab. Hier sind wir vor allem mit den Zulieferern in Kontakt: Die Hersteller produzieren zunehmend vollautomatisch, sodass die Zulieferer immer wichtiger werden.
Diese diversen kleinen Systeme sind eine Art Nische, die wir für uns gefunden haben, und man darf die technische und gestalterische Herausforderung, die sich dabei stellt, nicht unterschätzen. Die Qualität des Möbels zeigt sich in der Qualität des Details, sagte Charles Eames. Anders gesagt: Wer einen guten Griff machen kann, kann auch ein gutes Möbelstück machen!

 

Das mit dem German Design Award 2018 ausgezeichnete Ordnungssystem BRIC und seine Bestandteile. © Palmberg

 

Sie sind Gewinner des German Design Award 2018 im Segment Excellent Product Design. Womit?
Mit dem Ordnungssystem BRIC für Schubladen-Einteilungen in Unterrollcontainern, das ich gemeinsam mit Christiane Gebert für den Büromöbelhersteller Palmberg entwickelt habe. BRIC besteht aus einer Kunststoffschale mit Vertiefungen für Büroutensilien wie Stifte, Smartphone usw.; weiters aus diversen Stahleinsätzen zur Segmentierung der Schublade; sowie aus einer Filzmatte zum Auslegen. BRIC erlaubt die klassischen Rastereinteilungen für DIN-Formate und Utensilien, ist mit seinen geraden und abgewinkelten Blechen, die unterschiedlich große Ordnungsfächer schaffen, zugleich aber auch nah an den individuellen Bedürfnissen seiner Nutzer. Von der Aktentasche bis zu Schuhen kann hier alles abgestellt werden, zusätzlich gibt es Halter für Trinkflaschen und Becher. Zuletzt kann die Schublade auch als Ladestation dienen. BRIC ist auch mit Blick auf die allerorts um sich greifende Clean Desk-Politik hilfreich. Der Preis wird auf der Frankfurter „Ambiente“-Messe im Februar 2018 verliehen.

 

www.byform.de

 

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Designstudio byform
Das von Kristina Meyer und Thorsten Rosenstengel gegründete Designstudio byform mit Büros in Köln und Bielefeld arbeitet seit über zehn Jahren in den Bereichen Möbel-, Produkt- und vor allem Küchendesign. Byform hat mehrere Red Dot Design Awards und Nominierungen eingeheimst, darüber hinaus hat Thorsten Rosenstengel (gemeinsam mit Christiane Gebert) mit dem Ordnungssystem BRIC den German Design Award 2018 im Segment Excellent Product Design sowie bei den Iconic Awards 2018 des Rats für Formgebung gewonnen.


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