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Einfach, aber durchdacht

Der Wiener Designer Klemens Schillinger sucht nach einfachen, aber gut durchdachten Lösungen, die wenig Materialeinsatz erfordern und oft auch im Sinne des DIY selbst zusammengebaut werden können. Viele seiner Entwürfe haben den Charakter gewitzter Einfälle, und so manch ein kritischer Kommentar zu bestimmten Zeitphänomenen ist auch darunter.

Von Harald Sager

Welche Handschrift, welcher Stil zieht sich durch Ihre designerischen Arbeiten?

Klemens Schillinger lebt und arbeitet in Wien. © L.Hilzensauer

Klemens Schillinger: Es sind häufig Ideen, die sich materialisiert haben. Die Arbeiten gehen von einer Idee aus und wirken so, als wären sie sozusagen aus dem Ärmel geschüttelt worden. Ein Betrachter könnte sich denken, da hätte ich auch draufkommen können. Mag sein, aber die Durchführung ist schwieriger und langwieriger, als man glauben würde. Aber gerade das ist auch das Spannende daran.

„Meine Entwürfe sind häufig materialisierte Ideen.“



Ein gutes Beispiel ist meine Offline Lamp, die von der Beobachtung ausgeht, dass wir heutzutage ständig online und verfügbar zu sein haben und auch selbst laufend auf unseren Smartphones „checken“, was es Neues gibt. Fast jeder von uns wird schon an sich selbst festgestellt haben, dass das Züge einer Sucht annimmt. Meine Idee war nun, dass der wahre Luxus darin liegt, es sich leisten zu können, offline zu sein. Dazu ist es aber nötig, das Smartphone, nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“, sozusagen verschwinden zu lassen. Davon ausgehend habe ich eine relativ simpel aussehende Tischleuchte in Schwarz entworfen, deren Sockel eine kleine Lade enthält, in der man sein Handy verstaut.

Phase 1 der Offline Lamp: Man lässt sein Smartphone in der Lade verschwinden. Phase 2: Dadurch schaltet sich das Licht ein – ab sofort ist man „privat“. © L.Hilzensauer


Wird die Lade geschlossen, schaltet sich automatisch das Licht ein, will heißen: In dem Moment, wo ich offline gehe, bin ich „privat“, und die Tischleuchte wirft ein Licht auf alles, was ich danach tun will. – Die Idee war letztlich einfacher als ihre Umsetzung in Form des Mechanismus des Ein- und Ausschaltens des Lichts durch Auf- und Zuschieben der Lade.

Auch Ihre wohl bekannteste Arbeit hat mit dem Smartphone zu tun …

Das Substitute Phone hat Klemens Schillinger international bekannt gemacht. Es ist das Smartphone zum Runterkommen vom Wischen, Drücken und Zoomen. Stattdessen spielt man mit Kugeln. © L.Hilzensauer

Schillinger: Mein „Substitute Phone“, das ich auf der Vienna Design Week 2017 vorstellte, ist tatsächlich durch die internationalen Medien gegangen und kam sogar in der Netflix-Serie The Fix vor. Das ist ein Objekt, das wie ein Smartphone aussieht und sich auch so anfühlt, aber statt einer Bildfläche nur Reihen von Kugeln in unterschiedlichen Anordnungen hat. Man kann nun auf die Kugeln drücken, darüber wischen, sie zoomartig zusammen- oder auseinanderziehen, sprich, Fingerbewegungen machen, wie wir sie hunderte Mal am Tag wiederholen, aber es tut sich – nichts. Der Sucht-Impuls, ständig an seinem Smartphone herumzuhantieren, läuft sich tot. Stattdessen entfaltet die Fingerbewegung mit den Kugeln die gleiche entspannende Wirkung, wie sie auch den Komboloi, den Perlenketten, mit denen die Griechen zwischen den Fingern spielen, zugeschrieben wird.

„Das ,Substitute Phone‘ bewirkt, dass sich der Sucht-Impuls, ständig an seinem Smartphone herumzuhantieren, totläuft.“


Ich sehe die Offline Lamp oder das Substitute Phone als Objekte, die unmittelbar einleuchten und zugleich auch einen kritischen Kommentar zu bestimmten Zeitphänomenen abgeben.

Eine weitere Leitidee Ihrer Entwürfe dürfte sein, dass sie sich leicht und praktisch nutzen lassen …

Schillinger: Ja, ich suche nach einfachen, aber gut durchdachten Lösungen, die wenig Materialeinsatz erfordern, kompakt beförderbar sind und oft auch im Sinne des DIY selbst zusammengebaut werden können.

Beim Slot Shelf, einem leicht zu transportierenden und zusammenzubauenden Regal, hat sich Klemens Schillinger von den schraubenlosen Techniken des traditionellen japanischen Tischlerhandwerks anregen lassen. © L.Hilzensauer

Beim Slot Shelf zum Beispiel bin ich von der Prämisse eines Regals ausgegangen, das leicht zu transportieren und zusammen- bzw. abzubauen ist. Wozu auch gehört, dass es kein Werkzeug zum Zusammensetzen benötigt und ohne Schrauben auskommt. Die Lösung – an der ich lange gearbeitet habe – besteht darin, dass die Regalplatten längsseitig abgewinkelt sind, sodass sie schräg in Schlitze in den Holzstreben abgesenkt werden können. Das Slot Shelf wird mit geringem technischen Aufwand in Österreich produziert: Man braucht dazu im Prinzip nur Holzstücke, die mit der Kreissäge geschnitten werden, und abgekantete Bleche. Künftig wird es auch mit fünf Regalen – statt wie bisher nur mit drei – zu haben sein und von mir direkt vertrieben.

Nach diesem Prinzip der Einfachheit funktioniert auch Slot Trestle. Das ist ein Gestell aus zweimal zwei Holzbeinen, die durch ein gekantetes Alu-Profil schraubenlos, nämlich durch Einfügung der Profile in die dafür vorgesehenen Schlitze im Holz, miteinander verbunden werden. Zwei solche Gestelle dienen als Beine für eine Tischplatte obenauf. Bei diesen Holzarbeiten habe ich mich von den schraubenlosen Techniken des traditionellen japanischen Tischlerhandwerks anregen lassen.

Der Channel Chair nimmt zwar stilistische Anleihen beim Frankfurter Stuhl bzw. bei Wiener Bugholzstühlen, ist aber aus Alu-U-Profilen und Sperrholz und lässt sich mit ein paar Schrauben zusammensetzen. © Leonhard Hilzensauer

Ein weiteres Beispiel im Sinne des DIY ist der leichte, stapelbare Channel Chair, der zwar stilistische Anleihen beim Frankfurter Stuhl bzw. bei Wiener Bugholzstühlen nimmt, aber aus Standard-U-Profilen aus Aluminium sowie Sitz und Lehne aus Sperrholz ist und sich mit ein paar Handgriffen zusammenmontieren lässt. Auch der Tisch Fillet ist ein einfaches, unkompliziertes Ding, das im Handumdrehen und mit Hilfe von nicht mehr als vier Schrauben zusammengebaut werden kann.

Einige Ihrer Entwürfe haben den Charakter gewitzter Einfälle, ich denke da beispielsweise an Ripple oder Landmarks, an den Pac Table, die Vases for Corners, die Divina Hangers oder den Kleiderhänger Oneline …

Schillinger: Das kann man schon so sehen. Ripple ist eine sinuswellenartig verlaufende Ablage aus Metall, bei der der Mantel auf dem „Wellenkamm“ aufzuhängen ist. Sie wird vom schwedischen Hersteller Hem produziert und vertrieben.

Bei den Landmarks handelt es sich um drei Betonobjekte in Form von architektonischen Archetypen, nämlich eines Amphitheaters, eines Stadions und einer Pyramide, die als Buchständer, Briefbeschwerer, Aufbewahrungsbox oder einfach als Coffee Table-Objekte fungieren.

Einfacher als bei der Fillet Bench geht es fast nicht, sich seine Bank zusammenzubauen. / Die Landmarks – Archetypen eines Amphitheaters, eines Stadions und einer Pyramide – sind zwar klein, dafür aber aus Beton. Sie taugen zum Buchständer oder Briefbeschwerer, zur Aufbewahrungsbox oder einfach als Coffee Table-Objekte. © L.Hilzensauer


Die Vases for Corners ihrerseits sind viertel, halbe oder dreiviertel Vasen, die aber trotzdem vollwertig sind – nur eben „dekonstruiert“. Sie haben die Form einer Vase, aus der ein Teil so wirkt, als wäre er herausgeschnitten wie ein Tortenstück. Das hat den Effekt, dass man sie direkt an eine Mauer oder in ein Eck stellen kann – daher der Name. Die Vases for Corners werden vom Keramiker Hermann Seiser in Wien hergestellt.

„Dass ein Design gut ist, merkt man auch daran, dass es plagiiert wird.“



Auch der Couch- und Beistelltisch Pac Table aus Metall plus Granit, den es in drei Größen und etlichen Farben gibt, wirkt en wenig so, als habe man ihm ein Eck herausgeschnitten, sodass der Großteil der Tischfläche quasi in der Luft hängt. Das sieht nach einem mehr als fragilen Balanceakt aus, so, als würde er jeden Moment umkippen – aber der Granitblock in der Lücke macht das natürlich unmöglich. Ich lasse den Tisch selbst produzieren, und er ist auch über mich erhältlich.

Die Vases for Corners sind auch im Viertel-, Halb- und Dreiviertelformat ganze Vasen, lassen sich aber, im Unterschied zu normalen, auch ins Eck stellen. / Der Couch- und Beistelltisch Pac Table wirkt so sehr aus dem Gleichgewicht, als würde er jeden Moment umkippen – solange man nicht den Granitblock gesehen hat. Der Pac Table kommt in drei Größen und etlichen Farben. / Oneline: Ein einfaches Stahlrohr, das an vier Stellen gebogen wird und fortan als Kleiderhänger fungiert. © L.Hilzensauer


Dass ein Design gut ist, merkt man übrigens auch daran, dass es plagiiert wird: In China kursiert eine Kopie des Pac Table, jedoch nur für den asiatischen Markt. Aber es wäre ohnehin müßig, das einklagen zu wollen.

Die für Kvadrat entworfenen Divina Hangers sind Regale aus Stoff, deren Balance sich durch die Gegenstände bestimmt, mit denen sie gefüllt werden. © Photography by Casper Sejersen

Die Divina Hangers gehen aus einem Aufruf des dänischen Textilherstellers Kvadrat an Designer in aller Welt hervor, sich etwas zum Thema Filz zu überlegen. Filz franst nicht aus, und die Stoffe von Kvadrat sind überhaupt erstklassig. Mein Entwurf, der als Divina Hangers auch realisiert wurde, besteht aus Regalen aus Stoff in mehreren Farben, die im Leerzustand einfach nur von einer Alu-Halterung herunterhängen. Die Dreiecksform und Balance werden durch die Größe und das Gewicht der Gegenstände bestimmt, mit denen sie gefüllt sind. Die Divina Hangers sind ein Gleichgewichtsspiel aus schweren und leichten, harten und weichen Elementen.

Der Kleiderhänger Oneline schließlich ist letztlich nur ein einziges leichtes Stahlrohr, das an vier Stellen gebogen wird – mehr Reduktion ist kaum möglich.

Woran arbeiten Sie zurzeit?

Schillinger: Meine jüngste Arbeiten sind der WPC-Stool aus Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoffen für den Outdoorbereich, den ich selbst produziere, sowie ein Kaffeeservice für die Rösterei Naber mit Tassen, die außen 14 Ecken haben und innen rund sind. Naber besitzt ein schönes altes Kaffeehaus auf der Wipplingerstraße mit Kachelwänden, an deren Farben ich mich bei den Tassen orientiert habe. Das ist keine industrielle Fertigung, die stapelbaren Porzellantassen werden von Hermann Seiser handwerklich in Wien hergestellt.

www.klemensschillinger.com


Zu Klemens Schillinger
Der aus Wien stammende Produkt- und Möbeldesigner Klemens Schillinger hat auf der Fachhochschule für Industriedesign in Graz studiert und am Royal College of Art in London seinen Master gemacht. Danach war er drei Jahre für die britische Designerin Faye Toogood tätig, ehe er nach Wien zurückkehrte und seither sowohl als Freier für Studios wie auch als selbständiger Designer arbeitet. Zu Schillingers Auftraggebern zählen der schwedische Möbelhersteller Hem, die dänische Textilfirma Kvadrat und RIM-Blackberry. Sein Studio ist Teil einer Bürogemeinschaft auf der Hütteldorfer Straße, der unter anderem auch Wendy & Jim sowie die Designer von Breaded Escalope angehören. 2018 war er Preisträger des Swarovski-Designpreises.


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