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„Jedes Material will anders behandelt werden“

Seine frühere – betont handwerkliche und materialkundige – Ausbildung zum Zahntechniker kommt Marco Dessí jetzt auch beim Entwerfen zugute. Der aus Meran stammende und in Wien lebende Designer arbeitet für heimische Größen wie Wittmann, Lobmeyr und Augarten ebenso wie für internationale Marken.

Von Harald Sager

wohndesigners: Sie sind aus Meran, Italien ist im Design die Nr. 1, es wäre nahegelegen, Industriedesign in Mailand zu studieren – Sie haben sich seinerzeit aber für die Angewandte entschieden. Warum?

Marco Dessí stammt aus Meran und lebt in Wien. © Leonhard Hilzensauer

Marco Dessí: Das hat sich aus den Umständen so ergeben. Ich machte zunächst eine Zahntechnikerlehre, und da es damals in Südtirol keine entsprechende Berufsschule gab, absolvierte ich die Ausbildungsblöcke in Wien. Hier lernte ich Architekten kennen und baute nebenbei Modelle für sie. Handwerklich war ich immer schon geschickt, und die Zahntechnikerlehre verstärkte das noch. Außerdem habe ich von Kindheit an gerne gezeichnet. Meine Modelle kamen so gut an, dass Freunde mich ermutigten, doch die Aufnahmsprüfung an der Angewandten zu machen – die ich dann auch bestand. Das Fach Industrial Design war damals sehr frei, man konnte viel interdisziplinär arbeiten. Ich machte zum Beispiel recht viel auf der Keramikklasse – das Gipsen, Bauen und Formen lag mir, es war mir ja auch schon von meiner Zahntechnikerlehre her geläufig.

„Aus meiner Sicht ist es für einen Designer unerlässlich, sich ein Materialverständnis zu erarbeiten.“



Für mich war die Angewandte eine sehr gute Zeit und Ausbildung, ich konnte viel ausprobieren, hatte gute Lehrer, insbesondere Bořek Šípek und Paolo Piva, und konnte nach und nach meine eigenen Vorstellungen von Design entwickeln.

Sie sind nach Ihrem Studium in Wien geblieben, wo Sie bis heute leben. Ist Österreich ein gutes Pflaster für Designer?

Marco Dessís jüngste Arbeit für Lobmeyr ist The Knight: aneinandergereihte rundkegelförmige Leuchtstrahler, die abwechselnd nach oben und nach unten strahlen. © Lobmeyr/Foto Studio Marco Dessí

Die Szene ist relativ klein, und es sind auch nicht allzu viele Hersteller bereit, mit jungen Designern zusammenzuarbeiten – Wittmann, Lobmeyr oder Augarten Porzellan sind löbliche Ausnahmen.
Die Arbeiten von Jungdesignern kommen zwar gut an und haben auch die entsprechende mediale Präsenz, was wiederum auch den Herstellern nützt – aber sie sind tendenziell nicht in großen Stückzahlen abzusetzen, weil zeitgenössisches Design hierzulande keine große Breitenwirksamkeit hat.

„Wenn Sie sich heute als junger Designer in der Möbelbranche einen Namen machen wollen, müssen Sie auf die großen Messen fahren, damit die Hersteller auf Sie aufmerksam werden und sich für Sie zu interessieren beginnen.“


Zudem ist es sicher kein Vorteil, dass es hier keine international relevante Möbelmesse gibt, wie das etwa jene von Mailand, Köln oder London sind. Die Aufmerksamkeit, die man dort als Designer bekommt, ist eine ganz andere Dimension.
Auf der anderen Seite hat sich das Designgeschehen in den letzten Jahren durch die neuen Kommunikationsmedien sosehr internationalisiert, dass es fast egal ist, wo man sich physisch befindet.

Sind die internationalen Messen für junge Designer angesichts der neuen Kommunikationstechnologien immer noch so wichtig?

Der Einzelfauteuil Mono für Wittmann ist nicht nur ein stilistischer, sondern auch ein kommerzieller Erfolg. © Wittmann/Foto: Bernhard Angerer

Auf jeden Fall. Wenn Sie sich heute als junger Designer einen Namen machen wollen, müssen Sie unbedingt auf die großen Messen fahren, damit die Hersteller auf Sie aufmerksam werden und sich für Sie zu interessieren beginnen.
Mein erstes Möbelstück, das auf der Mailänder Möbelmesse präsentiert wurde, war der stapelbare Prater Chair aus Birkensperrholz, den ich für den deutschen Hersteller Richard Lampert entwarf: Das machte mich in der Branche bekannt.

Den größten Bekanntheitsschub dürften Sie durch Ihre Arbeiten für Wittmann bekommen haben. Wie kam es dazu?

Die Wittmann-Führung war vor ein paar Jahren auf der Suche nach einem jungen neuen Designer, und ein Wittmann-Händler, der mich kannte, empfahl mich weiter.

Der stapelbare Prater Chair aus Birkensperrholz für den deutschen Hersteller Richard Lampert. © Richard Lampert / Foto: Klaus Fritsch

Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits Möbelstücke entworfen, so etwa den bereits erwähnten Prater Chair und das Regal Atelier für den deutschen Hersteller Richard Lampert oder die Tisch- und Sesselserie Dakar für die italienische Marke Skitsch. Möbeldesign war mir demnach bereits vertraut – aber von Polstermöbeln hatte ich keine Ahnung. So begann unsere Zusammenarbeit, in der Zwischenzeit habe ich das Dining Sofa Odeon, das Sofa Palais, die Satztische Bristol und deren Erweiterung Bristol + sowie den Einzelfauteuil Mono für Wittmann entworfen. Letzterer, ein kompaktes, komfortables Stück mit leichten schrägen Holzfüßen war übrigens ein sofortiger kommerzieller Erfolg und bedeutete für mich den „Durchbruch“. Er wurde dann auch um einen Hochlehner ergänzt.

„Der Einzelfauteuil Mono für Wittmann war ein sofortiger kommerzieller Erfolg und bedeutete für mich den ,Durchbruch‘.“


Für mich war diese Zeit sehr inspirierend und lehrreich. Ich hatte bis dahin, wie gesagt, keine Erfahrung mit Polstermöbeln und musste lernen, mit den verschiedenen Materialien umzugehen. Jedes will anders behandelt werden, und aus meiner Sicht ist es für einen Designer unerlässlich, sich ein Materialverständnis zu erarbeiten. Das ist übrigens eine Erkenntnis, die ich meiner früheren Ausbildung zum Zahntechniker zu verdanken habe. Und in der Hinsicht war auch meine Arbeit für Wittmann überaus lehrreich: Es ist das im Grunde ein etwas groß geratener Handwerksbetrieb, bei dem man noch schön mitverfolgen kann, wie die Dinge entstehen. Von den verschiedenen Handwerkern dort habe ich viel gelernt.

Wie steht es um Ihre Zusammenarbeit mit Wittmann?

Rückblickend habe ich den Eindruck, dass diese Zusammenarbeit, die von 2013 bis 2017 bestand, eine bestimmte Funktion hatte: nämlich den klassisch modernen Wittmann-Stil – linear, geometrisch, „kistenartig“ architektonisch – in eine etwas weichere, dynamischere Formensprache überzuführen.

Das Dining Sofa Odeon für Wittmann hat eine steilere Rückenlehne und ein höheres Sitzniveau als das gleichnamige Sofa und ist damit die perfekte Sitzbank für größere Tischgesellschaften. Das Sofa Palais für Wittmann erlaubt zahlreiche Konfigurationen. © Wittmann/ Foto Bernhard Angerer


Der Wittmann-Stil stand in der Tradition von Architekten wie Josef Hoffmann und Friedrich Kiesler und wurde vom Hausdesigner Paolo Piva – der ja selbst ebenfalls Architekt war – verkörpert. Ich war sozusagen das Bindeglied zwischen Piva – den ich bei Wittmann abgelöst habe – und den aktuellen jungen Designern Jaime Hayon und Sebastian Herkner. Diese haben ihre eigene neue Formensprache eingebracht, die weniger der Architektur und mehr dem Design verhaftet ist.

Das Service Orbit mit unglasierten, seidenglatt geschliffenen Rändern für die Porzellanmanufaktur Augarten. © Wiener Porzellanmanufaktur Augarten / Foto: Klaus Fritsch

Da Sie eine große Affinität für die handwerkliche Komponente von Design haben: Bauen Sie Ihre ersten Modelle selbst?

Ja, immer, und für mich gibt das Modell den Ausschlag, ob ein Entwurf umgesetzt wird oder nicht. Denn erst wenn es im Maßstab eins zu eins vor mir steht, sehe ich die Stärken und Schwächen, die Proportionen und Maße. Ein gutes Produkt braucht viel Zeit, um realisiert zu werden – im Möbeldesign gibt es keine Schnellschüsse!

Was sind Ihre jüngste Projekte?

Zuletzt habe ich den Dakar-Stuhl aus Aluminium, den ich 2011 für Skitsch designt habe, weiterentwickelt und in Eigenregie herausgebracht, eine spannende neue Erfahrung!

Die 2019 aufgefrischte Version des Alu-Stuhls Dakar. © Studio Marco Dessí/Foto Leonhard Hilzensauer

Zuletzt habe ich den Dakar-Stuhl aus Aluminium, den ich 2011 für Skitsch designt habe, weiterentwickelt und in Eigenregie herausgebracht, eine spannende neue Erfahrung!
Neu ist auch der Lüster The Knight für Lobmeyr: Das sind aneinandergereihte rundkegelförmige Leuchtstrahler, die sich so abwechseln, dass jeweils einer nach oben und der nächste nach unten strahlt, was dem Ganzen das Aussehen einer Sinuskurve gibt. Die nach oben und die nach unten gerichteten Strahler haben separate Lichtkreise und können via einer App auch getrennt gedimmt werden. Lobmeyr ist übrigens mein ältester Kunde. Ich habe dort einmal ein Praktikum gemacht, um das großartige Firmenarchiv zu erforschen.
Neu ist auch der Polsterstuhl Linus für den französischen Hersteller La Manufacture, und im Jänner 2020 präsentiere ich zwei neue Stühle für das Traditionshaus Thonet aus Frankenberg. Darauf freue ich mich besonders!

www.marcodessi.com

Zu Marco Dessí
Der 1976 in Meran geborene Marco Dessí studierte Industrial Design bei Bořek Šípek, Paolo Piva und Ross Lovegrove an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Seit Gründung seines eigenen Designstudios im Jahr 2007 realisierte er eine Reihe von Projekten mit bekannten österreichischen Manufakturen wie Wittmann, Lobmeyr und Augarten sowie mit internationalen Auftraggebern. Marco Dessí arbeitet im Möbel- und Produktdesign ebenso wie als Ausstellungs- und Raumgestalter und als Innenarchitekt. Bereits 2012 war seinen Arbeiten eine Einzelausstellung im Museum für angewandte Kunst gewidmet.

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