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Trophäen und andere Fundstücke

Der aus Südtirol stammende und in Wien lebende Designer Patrick Rampelotto will sich nicht auf eine allzu klar erkennbare „Handschrift“ festlegen. Für ihn käme das einer Einschränkung seiner Formensprache gleich, die er auf so diverse Bereiche wie Tische, Stühle, Hocker, Sofas, Leuchten, Gläser bis hin zu Teppichen, Kleiderhäken und Schmuckstücken anwendet.

Von Harald Sager

wohndesigners: Sie entwerfen Einrichtungsgegenstände verschiedener Art, aber am bekanntesten sind Sie für Ihre Trophy Lamps. Was hat es damit auf sich?

Die Trophy-Leuchte in einer schicken Eingangslobby in Mailand. © Patrick Rampelotto

Patrick Rampelotto: Es stimmt, die Trophy-Leuchten haben einen relativ hohen Wiedererkennungswert. Die Idee dahinter ist, dass es eigentlich Pokale sind, die ich sozusagen verfremdet habe. Ich bin da ganz zufällig draufgekommen: Anfangs habe ich einfach Leuchten aus umgedrehten Pokalschalen gebastelt und sie an Freunde verschenkt. Bis ich draufkam, dass das Ganze Potenzial hat. So kam ich dazu, Pokale zu sammeln. In der Mülldeponie von Sterzing bat ich die Arbeiter, sie zu finden und für mich aufzuheben, und tauschte sie gegen Bier. Ich ging auf Flohmärkte und kaufte sie Sportvereinen aus deren Lagerbeständen ab.

„Für meine Trophy Lamps habe ich Pokale wieder in ihre Bestandteile zerlegt und diese clusterartig zu Lüstern mit mehreren Leuchten gebündelt.“

Was Pokale für mich so interessant macht, ist, dass sie sich umfunktionieren lassen. Ich mache sie unkenntlich und zu etwas ganz anderem. Das liegt an ihrer Machart: Sie bestehen aus verschiedenen Bestandteilen, die in den unterschiedlichsten Formen produziert und von Händlern entsprechend den jeweiligen Aufträgen zusammengefügt werden. Ich wiederum habe verschiedenste bestehende Pokale wieder in ihre Bestandteile zerlegt und diese clusterartig zu Lüstern mit mehreren Leuchten gebündelt. Für einen Lüster verwerte ich etwa 25 Pokale.

So manch ein Pokal führt als Trophy-Leuchte ein zweites Leben. Die Trophy-Leuchte in einer schicken Eingangslobby in Mailand. © Patrick Rampelotto


Durch diverse Ausstellungen haben die Trophy-Leuchten in der Zwischenzeit einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Interessenten kommen auf mich zu, und ich stelle sie auf Nachfrage her. Das Hotel Four Points by Sheraton in Bozen hat 60 Stück bestellt – mein bisher größter Auftrag. Und der kurioseste war für einen Eiskunstläufer: eine Trophy-Leuchte aus dessen eigenen Pokalen.

„Beim Liegefauteuil Dolfi war mein Ansatz der, dass man Adolf Loos‘ Easy Chair ,Knieschwimmer‘ sowohl stilistisch als auch vom Material her an die Bedürfnisse unserer Zeit anpassen kann.“

Die Trophy-Leuchten sind allesamt – das liegt in der Natur der Sache – Unikate. Ebenso auch die „Totems“, das sind meterhohe Skulpturen, die ich aus den Stielen von Pokalen geschaffen habe und die weniger Leuchten als eher „Lichtfänger“ sind. Das Gleiche gilt auch für die Edition von 100 USB-Stick-Hüllen. Das sind Schmuckstücke auf Basis des Pokalmaterials, die mit Kette als Halsband zu tragen sind. Auf den USB-Sticks ist Musik des DJs Andy Butler zu hören, vertrieben werden sie im Samstag Shop in Wien 4.

Ein weiteres „Fundstück“ ist das Glasobjekt Iris …

Rampelotto: Iris basiert auf einem originalen Art Déco-Glas aus dem Archiv von Lobmeyr, das früher für Lüster verwendet wurde. Ich habe das kegelförmige, elliptisch abschließende und eingeschnittene Stück zu einer Tischleuchte umfunktioniert, die auf einem metallenen Sockel ruht.

Die Tischleuchte Iris geht auf Art Déco-Lüstergehäuse aus dem Archiv von Lobmeyr zurück. Das Daybed Vienna mit herausnehmbarer Nackenrolle ist in einer auf sieben Stück limitierten Edition herausgekommen. Eines der Unikate aus der Serie Tape Furniture für die Wiener Galerie Rauminhalt. © Patrick Rampelotto


Wenn man durch das Loch obenauf ins Innere der Leuchte blickt, sieht das Licht- und Schattenspiel des Glases, das sich auf der Glühbirne widerspiegelt, wie die Iris eines Auges aus. Die aus 25 Exemplaren bestehende Edition ist in drei Formaten erhältlich.

Auch Ihr Liegefauteuil Dolfi geht auf ein bestehendes Modell zurück, das Sie neuinterpretiert bzw. verfremdet haben …

Rampelotto: Ja, im Fall von Dolfi, dessen Name auf Adolf Loos verweist, habe ich die Grundform von dessen Easy Chair „Knieschwimmer“ übernommen, das vor allem für seine rollenförmige Knieunterlage bekannt ist. Ironischerweise geht auch der „Knieschwimmer“ auf ein Vorläufermodell zurück, nämlich auf den „New Shaped Easy Chair“ der Londoner Firma Hampton & Sons. Die Ähnlichkeit ist so frappant, dass man durchaus von Plagiat sprechen kann. Aber es entsprach eher Loos‘ pragmatischer Haltung, einen Gegenstand, der sich bewährt hatte, nicht weiter überarbeiten zu wollen.

„Mein Lehrer Bořek Šípek hat mir jegliche Scheu vor Ornamentik genommen.“



Mein eigener Ansatz wiederum ist, dass man ihn sinnvollerweise den Bedürfnissen unserer Zeit anpassen kann. So habe ich beim Dolfi die Knieunterlage und die ebenfalls rollenförmige Nackenlehne als fixe Bestandteile des Fauteuils beibehalten. Zusätzlich gibt es aber eine weitere Rolle, die als Unterlage beliebig verwendet werden kann. Der größte Unterschied zum Knieschwimmer ist aber das Material: beschichteter Schaumstoff statt Samtbezug. So ist Dolfi sowohl im Haus als auch als Gartenmöbel verwendbar. Übrigens ist auch mein Daybed Vienna, das in einer auf sieben Stück limitierten Edition herausgekommen ist, aus diesem Material. In Anlehnung an Dolfi besitzt auch Vienna eine Nackenrolle, die aber in einer Mulde untergebracht und herausnehmbar ist.

Zu Ihren prägnantesten Entwürfen zählt der Hocker Pilot …

Die Hocker- und Tischserie Pilot, die Patrick Rampelotto und Fritz Pernkopf für den belgischen Hersteller Quinze & Milan entwickelt haben. © Quinze & Milan

Rampelotto: Ja, den habe ich gemeinsam mit dem Industriedesigner Fritz Pernkopf für den belgischen Hersteller Quinze & Milan entwickelt. Er hat einen sattelartigen Sitz ohne Lehne, ist in zahlreichen Farben und drei Höhen erhältlich und wird weltweit vertrieben. Pilot spielt mit dem Kontrast zwischen dem matten, geölten Eichenholz der Stuhlbeine und dem Sitz aus glänzendem Plastik. Zu der Serie gehören auch ein Tisch, der in zwei Höhen und wahlweise rund und quadratisch kommt, sowie ein Beistelltisch. Der Clou an Pilot ist, dass er aus wenigen Komponenten besteht und sich simpel zusammensetzen lässt – wobei die Stuhlbeine nicht anzuschrauben, sondern einfach hineinzudrehen sind. Das Schwierigste an der Aufgabe war übrigens, die Materialien Holz und Plastik präzise miteinander zu verbinden, denn Letzteres schrumpft mit der Zeit um bis zu 3 Prozent.

„Der Clou am Hocker Pilot ist, dass er aus wenigen Komponenten besteht, die sich simpel zusammensetzen lassen – wobei die Stuhlbeine nicht anzuschrauben, sondern einfach hineinzudrehen sind.“

Pilot datiert von 2012 sowie, als Tisch, von 2015. Auf der diesjährigen Vienna Design Week haben Pernkopf und ich eine weitere Tisch- und Sessel-Serie namens Twix vorgestellt, die für den ebenfalls belgischen Hersteller SDC Lab entwickelt wurde.

Das gemeinsam mit Fritz Pernkopf für den belgischen Hersteller SDC Lab entwickelte Bistro-Set Twix ist beispielsweise im Wiener Gasthaus Wolf zu besichtigen. © Gianmaria Gava

Twix ist ein aus zwei Sesseln und einem Tisch bestehendes, stapelbares Bistro-Set, das ein konstruktives Ganzes darstellt. Zu besichtigen ist es beispielsweise im Gasthaus Wolf in Wien.

Was sind Ihre Einflüsse?

Rampelotto: Wichtig für meine Entwicklung waren die Jahre bei Eoos Design. Ich habe dort mitbekommen, wie man in einem größeren Büro in strukturierter Weise an Projekten arbeitet, und auch begonnen, mich stärker für Möbeldesign zu interessieren. Das war für mich wie ein zweites Studium.
Vor allem aber habe ich viel von Bořek Šípek, meinem Professor an der Angewandten, gelernt. Zum Beispiel, offen gegenüber einer opulenteren, verspielteren Ästhetik zu sein.

Das Ornament des Teppichs Micro Macro (für Geba) beruht auf dem Knoten, den die tibetischen Handwerker zum Knüpfen verwenden. © Geba

Abgesehen davon war er ein wunderbarer Lehrer, der nicht wollte, dass ihm seine Studenten nacheifern, sondern sie darin unterstützte, ihren Stil und ihre eigenen Projekte zu entwickeln. Mir hat er zum Beispiel bei meiner ersten Produktion überhaupt, der Schmuckschatulle Plic für Lobmeyr, geholfen.

Šípeks Zugang war ein sehr handwerklicher und ornamentaler. Das hat auch mir jegliche Scheu davor genommen.
Der Teppich Micro Macro zum Beispiel, den ich für den Grazer Hersteller Geba designt habe, wirkt ornamentartig. Das Muster ist aber der Knoten, den die tibetischen Handwerker zum Teppichknüpfen verwenden – nur dass ich ihn wie durch ein Vergrößerungsglas in einem größeren Maßstab sichtbar gemacht habe.

Die Vase Guli ist in Zusammenarbeit mit tschechischen Glasbläsern entstanden. © Patrick Rampelotto

Bořek Šípek hat viel mit Glas gearbeitet, und die böhmische Glaskunst ist ja seit vielen Jahrhunderten berühmt. Das hat auch mein Interesse daran geweckt, und ich habe ebenfalls mehrmals mit tschechischen Glasbläsern zusammengearbeitet, so für die Vase Guli. Böhmisches Kristallglas wurde auch für die Schmuckschatulle Plic verwendet. Sie besteht aus einem sphärischen Ober- und Unterteil, das dem menschlichen Augenrund nachgebildet ist, und hat obenauf in der Mitte ein abnehmbares Vergrößerungsglas, sodass man den Schatulleninhalt genauer besehen kann. Das Plic-Glas kommt in acht Farben, wobei Ober- und Unterteil farblich nach Belieben kombiniert werden können.

Wie lange dauert es bei Ihnen vom ersten Entwurf zum fertigen Modell?

Rampelotto: Im Schnitt würde ich sagen, ein Jahr. Das ist auch sehr vom Zyklus der internationalen Möbelmessen in Mailand, Köln oder anderswo bestimmt. Da diese zu verschiedenen Zeiten im Jahr stattfinden, ist man als Entwerfer quasi „dauerschwanger“ mit Projekten, auf die man hinarbeitet.

Stellen Sie Ihre Modelle selbst her?

Die Schmuckschatulle Plic mit abnehmbarem Vergrößerungsglas für Lobmeyr. © Lobmeyr

Rampelotto: Ja, ich baue die Prototypen selbst, um sie zunächst einmal auszuprobieren und zu schauen, wie sie sich bewähren.

Wie würden Sie Ihren Designstil beschreiben?

Rampelotto: Es ist mir wichtig, keine zu klar erkennbare „Handschrift“ zu haben – das würde ich als Einschränkung empfinden. Mir geht es mehr darum, meine Formensprache zu erweitern, und mich sowohl auf dem Feld des Designs als auch auf dem der Kunst aufzuhalten. Beispielhaft dafür sind die Sessel der Serie Tape Furniture, die ich 2018 für die Wiener Galerie Rauminhalt geschaffen habe. Dabei habe ich die Sessel mit Klebebändern in den verschiedensten Kombinationen überzogen. Vorbildhaft war dabei sicher Franz West, der sich für die „Emanzipation“ des Möbels und dessen Öffnung zur Kunst eingesetzt hat.

www.patrickrampelotto.com

Zu Patrick Rampelotto:
Der 1978 in Sterzing, Südtirol, geborene Patrick Rampelotto studierte Industrial Design bei Bořek Šípek und Ross Lovegrove an der Universität für angewandte Kunst in Wien und ging anschließend zu Eoos Design, ehe er sich 2009 als Designer selbständig machte. Rampelotto ist an den Schnittstellen von Design und Kunst tätig und arbeitet auch mit Fundstücken, die er zu seinen Trophy Leuchten weiterentwickelt. Als Künstler wird er von der Galerie Rauminhalt in Wien und der Křehký Gallery in Prag vertreten. Im Jahr 2015 war er zusammen mit den Studios chmara.rosinke und Breaded Escalope Mitbegründer der Designformation Die ganz neue Gruppe, welche die Galerie Spazio Pulpo in der Sonnenfelsgasse in Wien 1 bespielte.


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